Eure selbstgerechte, arrogante Sturheit kotzt mich an! (Ein Kommentar von Kalle Hasenberg)


Bildquelle: https://pixabay.com/de/photos/politisch-korrekt-verkehrszeichen-3999925/ Warum wir Schüler:innen auf politisch korrekte Sprache drängen müssen

Teil 1 (veröffentlicht in unserer Printausgabe 1/2022) Diese Sturheit begegnet mir im Alltag überall, ob zu Karneval, wo jedes Jahr über unangebrachte Kostüme und „Blackfacing“ diskutiert wird, im Gespräch mit meiner Oma, die nicht verstehen will, warum ihre Lieblingskonditorei namens „Mohrenköpfle“ keinen angebrachten Namen hat, oder in der Schule, an der Lehrer -ich gendere hier absichtlich nicht- das N-Wort nutzen.

Darum, liebe Schulgemeinschaft, will ich hier versuchen, euch meine Perspektive auf den Vorschlag der SMV, „mehr auf politisch korrekte Sprache im Schulalltag zu achten,“ zu erläutern. Vielleicht ist danach die auf politisch korrekte Sprache zu achten klarer.
Zuerst, um kurz zu klären, worum es geht, Political Correctness oder politisch korrekte Sprache beschäftigt sich mit dem Sprachgebrauch und stammt aus der Antidiskriminierungsbewegung der 80er Jahre in den USA.
Bei „korrekt“ handelt es sich laut dem Lateinischen um etwas, korrigiertes, das ohne Fehler sei. Was genau jetzt „politisch“ heißt, ist nicht ganz klar. Allerdings das Ziel dieser Form von Sprache ist sehr klar, sie will inklusiv sein. Bedeutet also einer Gleichberechtigung in der Sprache aller Personen, egal welches Geschlecht, sexuelle Orientierung, ethnische, soziale, religiöse oder sonstige Unterschiede man haben könnte. Damit möchte man Gleichberechtigung, sowie Gerechtigkeit in der Gesellschaft fördern, die sicherlich auch zur Stärkung der selbigen führen kann. Eine große Zielsetzung, hinter der doch eigentlich jeder stehen können müsste, oder? Leider nicht. Für viele geht die politische Korrektheit zu weit. Immer wieder heißt es: Das würde nichts bringen und man solle sich um die richtigen Probleme kümmern. Zwar schließt das eine das andere nicht aus, jedoch ist die Behauptung, auf Sprache zu achten wäre sinnlos oder gar kontraproduktiv, da dies das eigentliche Problem verharmlosen würde, nicht nur irreführend, sondern auch wissenschaftlich falsch. Es macht sehr wohl einen Unterschied, wie wir reden. Unsere Sprache ist ein Spiegel unseres Denkens und mit unserer Sprache können wir unser Denken auch verändern. Beispielsweise werden bei politisch korrekter Sprache kaum Wörter, die ein Problem beschreiben ersetzt, sondern beleidigende Wörter. Dadurch wird man teilweise erst aufmerksam auf ihre Bedeutung und den oft problematischen Ursprung. Noch klarer wird die Bedeutung von Sprache bei der geschlechtergerechten Sprache. Studien belegen zum Beispiel, dass sich junge Mädchen eben nicht so sehr angesprochen fühlen, wenn man das generische Maskulinum verwendet. Auch denken wir, wenn wir nach bekannten Schauspielern gefragt werden, in erster Linie oft an Männer.
Umso wichtiger sollte für uns junge Menschen, also Schüler:innen, die Auseinandersetzung mit unserer Sprache sein. Gerade dann, wenn einem auf dem Pausenhof wieder Sprüche zu Ohren kommen wie „du dummer Jude“, die offensichtlich als Schimpfwort verwendet werden. Und nein, in einem solchen Fall gibt es auch kein falsch verstehen oder „es war nur lustig gemeint“.
Möglicherweise ist hier wichtig, politische Korrektheit nicht nur als Einschränkung oder Belastung zu sehen. Sie muss ja nicht immer negativ sein oder zu Spannungen führen. Es ist eben auch eine Chance zu lernen, einander besser zu verstehen und zum Nachdenken anzuregen. Man darf nur Kritik nicht direkt als persönlichen Angriff wahrnehmen. Eine der unerträglichsten Antworten, die man sich anhören muss, wenn man zur sogenannten „Sprachpolizei“ gehört, ist der Satz: „Das habe ich doch nicht rassistisch“ oder „war doch nur ein Witz“. Natürlich sind die wenigsten Menschen, die solche Aussagen treffen, Rassisten. Mit dieser Bezeichnung muss man natürlich sehr vorsichtig umgehen, aber egal wie sie gemeint waren, können humorvoll gemeinte Aussagen trotzdem unsere Mitmenschen verletzen. Ist Humor also wirklich Verboten? Muss ich bei allem aufpassen, was ich sage? Natürlich nicht, nein. Allerdings geht es doch gerade bei Satire darum Grenzen zu überschreiten und zu brechen. Jedoch sich über marginalisierte und diskriminierte Gruppe lustig zu machen, besonders als privilegierte Person innerhalb der Gesellschaft, zeugt weder von Größe, noch von guter Satire, die sich nicht nach unten, gegen schwächere wendet. Des Weiteren ist Unwissenheit eben auch keine Entschuldigung, beschweren darf man sich jedenfalls nicht, wenn man kritisiert oder auf Unsensibilität hingewiesen wird.
Ein sehr emotionales Thema sind auch Bücher, insbesondere Kinderbücher wie zum Beispiel „Jim Knopf“. Im Original wird mehrmals das N-Wort und auch Jim Knopf wird rassistisch dargestellt, wie zum Beispiel durch übergroße Lippen. Vermutlich ist der Autor, Michael Ende, kein Rassist und hat seine Worte auch nicht als Beleidigung gemeint, aber vielleicht sind sie es trotzdem. Hier darauf zu beharren, dass sich diese Werke nicht ändern lassen, gerade aus literarischen Gründen oder ohne die Einverständnis der Autor:innen schon gar nicht zu machen sei, ist geradezu grotesk. Es handelt sich immer noch um Kinderbücher. Man bewegt sich dann in einer Argumentation von: „Aber früher war das doch auch so“. Es gibt eben Entwicklungen und ein steigendes Bewusstsein für unangemessene Begriffe, zumeist aufmerksam gemacht von selbst marginalisierten Aktivist:innen, die jetzt die Möglichkeit haben ihre Stimme zu erheben und gegen Diskriminierung zu kämpfen. Oft geht es um Fremdbezeichnungen, die abwertend oder als Beleidigung gemeint waren, und deswegen allein aus historischen Gründen übergriffig sind. Ein gutes Beispiel hierfür wäre Blackfacing, der Ursprung dieser Methodik stammt aus Unterhaltungsshows in den USA im 18. und 19. Jahrhundert. Genau genommen haben sich weiße Schauspieler:innen schwarz angemalt und dann schwarze Menschen stereotypisch dargestellt, um das weiße Publikum zu belustigen. Häufig wurde das Sklavenleben verharmlost und romantisiert, des Weiteren wurden schwarze Menschen als dumm, faul, sowie naiv beschrieben. Der bekannteste Charakter aus dieser Zeit ist Jim Crow. Es ging also um reine Erniedrigung. Heute diese Taten im vollen Bewusstsein ihrer Geschichte zu reproduzieren, ist also sehr fragwürdig.

Teil 2 (nur hier im Blog veröffentlicht)

Trotzdem muss man Gegnern von politisch korrekter Sprache natürlich zugutehalten, dass es keine rechtliche Art von Verpflichtung zu einer solchen Sprache gibt. Darum geht es aber auch nicht. Rechtlich steht jedem frei, das N-Wort zu nutzen. Es lässt sich hier lediglich mit Respekt und moralischen Werten einer Gemeinschaft argumentieren.
Daher gibt es hier oft den Vorwurf, politische Korrektheit sei reine Ideologie und würde der Mehrheit die Meinung einer Minderheit aufzwingen. Die Ansichten dieser Minderheit sollen für die gesamte Gesellschaft gelten, sonst muss man öffentliche Sanktionen fürchten. Zu beachten bei einem solch schönem Argument ist aber auch, dass wenn man hier von einer Ideologie sprechen will, diese nicht, wie zum Beispiel während des Nazi-Regime, vom Staat mit Gewalt durchgesetzt wird. Allein die großen Kontroversen über das Thema zeigen ja eine große Meinungspluralität.
Aber dieses theoretisch gegebene Recht, auch politisch inkorrekt sprechen zu dürfen, führt eben zu einem anderen Konfliktpunkt, der eng mit der Political Correctness verbunden ist. Handelt es sich dann möglicherweise doch um eine Art Zensur oder Einschränkungen der Meinungsfreiheit, die die politisch korrekte Sprache verursacht. Diese Annahme kommt von der „Gefahr“, die von der Cancel Culture ausginge. Eines der prominentesten Beispiele ist hier die Autorin von Harry Potter, J. K. Rowling sie hat sich mehrfach kritisch gegenüber Transgender-Menschen geäußert. Die Folge: große Wut, Enttäuschung und ein Shitstorm. Nahezu alle große Schauspieler:innen ihrer eigenen Charaktere haben sich von ihren Aussagen distanziert. Außerdem wird jetzt aller weil versucht, sie als Autorin von ihrem Werk zu trennen, ein Beispiel ist das Harry Potter Special, welches der Streaming Anbieter HBO Max inzwischen veröffentlicht hat, das explizit ohne J. K. Rowling stattfindet und ohne ihren Namen beworben wird. Auch Kevin Hart durfte wegen alten Witzen, gegen schwule Menschen, nicht mehr die Oscar-Verleihung moderieren. Politisch korrekte Sprache hat also tatsächlich Konsequenzen, aber ist sie schuld daran, dass es so weit kommt. Generell steigt die Anzahl der Menschen, die glauben, sie könnten in einem der freisten Länder der Welt, Deutschland, ihre Meinung nicht mehr frei sagen. Viele, die diese wachsende Gruppe angehören, passiert ein Entscheider Denkfehler. Nach wie vor deckt die Meinungs- und Kunstfreiheit so ziemlich jede Äußerung, ausgenommen Extremfälle wie Holocaustleugnung. Aber es ist eben auch das Recht eines jedem einzelnen anderen zu Widersprechen und tun dies eben sehr viele Menschen, kann es natürlich zu einer heftigen Reaktion kommen, die auch öffentlichen Druck erzeugt. Insbesondere durch das Internet fallen diese Reaktionen sehr heftig aus. Nicht desto trotz führen solche Konflikte natürlich zu einer größeren Spaltung und diese kann auch zu einer Antihaltung gegenüber politisch korrekter Sprache führen. Kein Wunder also, dass seit Beginn der 1980er Jahre „politisch korrekt“ zu etwas Negativem, einer Art „Kampfbegriff“ der Gegner verkommen ist. Aus einer solchen Haltung entstehen schlussendlich auch Argumente, wie politisch korrekte Sprache würde die Kommunikation erschweren, die selten zutreffend sind. Beispielweise macht geschlechtergerechte Sprache uns erst klar wer wirklich gemeint ist, oft geht es lediglich darum sich daran zu gewöhnen. Schwieriger sind Argumente von Sprachwissenschaftler:innen, die von einer Zerstörung der Sprache ausgehen. Die für mich aber eher wie eine Angst vor Veränderungen wirkt. Nur, weil Sprachwandel normalerweise natürlich vollzieht, heißt das nicht, dass man auch gezielt eingreifen kann. Wir entwickeln uns als Gesellschaft weiter und das gleiche sollte auch unsere Sprache können.
Um die Motivation und das Konzept von politischer Korrektheit zu verstehen, ist ein Perspektivwechsel an dieser Stelle unerlässlich, weil eben auch viele Kritiker der politisch korrekten Sprache selber nicht betroffen sind. Häufig weiß man als unbeteiligte Person nicht viel von ständigen emotionalen Belastungen oder alltäglicher Diskriminierung, wie Beleidigungen in der Sprache, die Minderheiten erfahren. Macht man sich diese Situation klar, ist vielleicht auch erklärbar, warum für betroffene das Thema besonders anstrengend ist. Vor allem kann man ungeduldig werden, wenn man immer dieselben Diskussionen führt und Veränderungen innerhalb der Gesellschaft so langsam voranschreiten. Hinzu kommt, was bei dem Thema der Cancel Culture und freier Meinungsäußerung nicht vergessen werden darf; Hass ist keine Meinung und Beleidigung anderer Personen fällt nicht unter freie Meinungsäußerungen. Dabei gilt es immer den betroffen zuzuhören, ob sie sich beleidigt fühlen.
Des Weiteren hat der Aspekt von Political Correctness eine weitere Seite, die der Wort Herkunft nämlich. Wie bei so vielen anderen Veränderungen innerhalb der Gesellschaft kommt sie von jungen Menschen, genau genommen aus den Universitäten der USA. Das ist natürlich ein sehr privilegiertes Milieu. Diese Menschen sind selten von schlimmer Diskriminierung betroffen oder hatten große Geldsorgen. Noch heute sind es vor allem diese Art von privilegierten Menschen denen politische Korrektheit besonders wichtig ist. Allerdings nur weil bestimmten Menschen der Zugang zu diesem Thema leichter fällt, muss es ja nicht dabeibleiben. Das Thema geht uns nämlich alle als Gesellschaft etwas an. Folglich wäre die Schule ein idealer Ort, mit bewusster Sprache anzufangen.
Auch vor einer harten Diskussion oder sogar Spaltung hätte ich keine Sorgen, da es immer noch einen erheblichen Unterschied macht, wie Internet zum Beispiel auf Twitter mit dem Thema umgegangen wird oder in einer vergleichsweisen kleinen Gruppe, wie in der Schule.
Wie sollten wir nun als Schule weiter verfahren? Ich würde alle Beteiligten bitten, sich offen gegenüber diesem Vorschlag der SMV zu zeigen. Es gibt nie die eine politisch korrekte Sprache, das Wichtigste ist der Diskurs. Dieser kann helfen, uns gegenseitig besser zu und den eigen Wissenshorizont zu erweitern. Jedem sollte Bewusst sein, dass es hier nie um eine Art Zwang gehen sollte, sondern eher von einer Empfehlung oder einem Vorschlag die Rede ist. Beschäftigt man sich mit der Motivation und versucht sie umzusetzen, dann kann politische Korrektheit zu einer echten Bereicherung im Umgang miteinander werden und zu mehr Respekt führe.

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